April 29, 2022

Eizellenspende und Leihmutterschaft

Reproduktive Rechte


Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung sieht vor, in einer Kommission die Möglichkeiten von Eizellenspende und altruistischer Leihmutterschaft zu überprüfen. Es sind Themen, die eine Fülle von medizinischen, ethischen und rechtlichen Fragen aufwerfen. Zudem waren sie von den Teilnehmenden der Frauen* AG angemeldet worden. In April – Sitzung der Grünen Frauen* AG haben wir deshalb, unterstützt von fachlichem Input, die Themen Eizellenspende und Leihmutterschaft erstmals diskutiert.

Rechtlicher Rahmen

Für die rechtliche Einordnung hat uns Brigitte Abraham, Fachanwältin für Familienrecht, und Mitstreiterin in der Frauen*AG, wichtige Informationen geliefert. Embyonenschutzgesetz, Abstammungsrechte, Adoptionsrecht, Unterhalts- und Sorgerechte sind die Stichworte, sensible Rechtsgebiete mit gravierenden Folgen für die Familien.

Fortpflanzungsmedizin in Europa und Probleme mit Fremdeiweiß

Die medizinischen Aspekte hat uns Hannelore Sonnleitner-Doll, Ärztin von pro familia Frankfurt, näher gebracht. Dabei haben wir auch einige für uns neue grundsätzlichere Informationen erhalten.

Zum Beispiel, warum selbst bei optimalen Voraussetzungen, also Befruchtung auf natürlichem Wege, bei 25 jährigen, gesunden Menschen, nur ca. 30 % der befruchteten Eizellen sich einnisten. Die Ursache: Der Samen ist, auch wenn er von der Eizelle umhüllt ist, Fremdeiweiß, was Abstoßreaktionen auslöst. 

Die Einnistungsquote bei allen anderen Reproduktionstechniken ist noch deutlich niedriger. Insbesondere in Deutschland. Hier ist auch die Zahl der Mehrlingsgeburten und Fehlbildungen höher als in anderen Ländern. Ursache: das Embryonenschutzgesetz. Es verbietet eine Selektion der befruchteten Eizellen. Das ist auf dem Hintergrund der deutschen Geschichte nachvollziehbar und grundsätzlich richtig, fanden wir. Es führt aber dazu, dass viele Versuche vergeblich sind, Mehrlingsgeburten ( mehr als 2 Kinder) oder Behinderungen auftreten und die schwangeren Frauen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind.

Im Ausland werden die  befruchteten Eizellen 5 Tage „bebrütet“ und danach wird nur eine Eizelle, die mit der besten Entwicklung, eingesetzt. In Deutschland werden nach 3 Tagen bis zu 3 Eizellen eingesetzt.

Rechtlich zulässig sind in Deutschland nur die In-Vitro-Fertilisation und die Intrazystoplasmatische Spermieninjektion durch ausgebildete Ärzt*innen. Die Kosten werden von den Krankenkassen meist nur hälftig getragen. Es hat mich gefreut zu hören, dass „meine AOK“ vollständig die Kosten übernimmt. Reproduktive Rechte sind nichts wert, wenn sie von der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Menschen abhängig sind. 

Eizellenspende

Wie ist die Situation bei Eizellenspenden? In vielen europäischen Ländern ist sie erlaubt. In Deutschland nicht, hier machen sich sogar Ärzt*innen strafbar, wenn sie nur darüber informieren.

Verrückt. Wieder einmal. Dieselbe Bigotterie wie beim Schwangerschaftsabbruch.

Unser Zwischenfazit:

Eine Eizellenspende ist zwar wesentlich aufwändiger als eine Samenspende und es sind noch mehr rechtliche Fragen zu klären. Wir sehen aber keinen Grund, warum es in Deutschland nicht in einem wertebasierten rechtlichen Rahmen geregelt und ermöglicht werden sollte. Denn es findet ja statt, in Österreich, Belgien, Niederlanden uvm. Und die Familien leben dann in Deutschland.
Derzeit kommen diese Möglichkeiten nur einem privilegierten Kreis zu Gute. Das ist inakzeptabel. Eine Legalisierung würde zudem die Kriminalisierung der ungewollt kinderlosen Paare beenden. Betroffene, auch die Kinder, könnten offen darüber sprechen, sich austauschen, ggf. Hilfe erhalten. Das alles ist jetzt nur subversiv möglich.

Leihmutterschaft: Diskussionsbedarf

Eine Leihmutterschaft, die in Deutschland verboten ist, wirft noch viel mehr Fragen auf. 

Die Berichte aus der Ukrainie sind uns natürlich auch gegenwärtig gewesen. 

Rechtlich gesehen gilt die Frau, die das Kind ausgetragen und zur Welt gebracht hat, als Mutter mit allen Rechten und Pflichten, auch wenn eine fremde befruchtete Eizelle eingesetzt wurde. Damit das Paar, das den Vertrag mit der Leihmutter geschlossen hat, das Kind auch erhält, muss eine Freigabe zur Adoption und die Adoption erfolgen.

Aber Leihmutterschaft findet auch in Deutschland statt, z.B. in Absprache zwischen lesbischen und schwulen Paaren. Beziehungsstatus: es ist kompliziert.

Wir haben bei uns noch einen riesigen Diskussionsbedarf festgestellt. 

  • Ist Leihmutterschaft postkoloniales Outsourcing von Schwangerschaften und Geburten?
  • Laufen wir Gefahr eine paternalistische Haltung einzunehmen wie bei Sexarbeit?
  • Wie muss ein neues Abstammungs- und Fortpflanzungsgesetz aussehen?
  • Kann man die Eizellenspende aus dem Embryonengesetz „auskoppeln“?

Reproduktive Rechte sind Menschenrechte.

Wir bleiben am Thema. 

Aktuell ist dazu das Buch „Selbstbestimmt“ Für reproduktive Rechte“ im Wagenbach Verlag erschienen und es gibt eine Veranstaltungsreihe der Heinrich Böll Stiftung.

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