Mai 5, 2022

24.05.2018 Änderung der Friedhofsordnung

Herr Vorsteher,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Gestorben wird immer, so heißt es. Gemeint ist damit, dass das Bestattungsgeschäft ein sicheres und einträgliches ist. Das galt hier auch vor 50 Jahren oder vor 30 Jahren, als Sterbegeld eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen war und die allermeisten Menschen sesshaft waren. Handel und Wandel sind uns in Frankfurt vertraut, aber wer hätte gedacht, dass die Globalisierung und die weltweite Bewegung von Menschen, Waren, Arbeitsplätzen und Kulturen auch die kommunale Friedhofsverwaltung derart beeinflussen würde? Wer hätte vermutet, dass es zu Niedrigpreiswettbewerben im Bestattungsgewerbe kommt, dass Verstorbene zur günstigeren Kremierung in andere Bundesländer, ja sogar ins Ausland transportiert werden? Wer hätte sich vorstellen können, dass in einer Stadt mit rasant wachsender Bevölkerung, die Friedhöfe als einzige Einrichtung keinen Flächenmangel, sondern Flächenüberfluss haben?

 

Unser Umweltdezernat und die Friedhofsverwaltung haben diese Entwicklung erfreulicherweise schon lange erkannt und gegengesteuert. Schon früh wurde mit einer Organisationsuntersuchung reagiert, die auch den Paradigmenwechsel in der Friedhofsverwaltung zum Thema hatte. Zahlreiche Veränderungen und Anpassungen wurden inzwischen vorgenommen, auch schmerzhafte, wie die Schließung des Krematoriums. Vorratsflächen wurden aufgegeben oder anders genutzt, aber vor allem wurde auf die geänderte Nachfrage nach anderen Bestattungsformen und auf die Vielfalt der Kulturen und Glaubensrichtungen in der Stadtbevölkerung reagiert. So kann heute in Frankfurt jede und jeder in Frieden und Eintracht nicht nur nach ihrem und seinem Glauben oder Unglauben leben, sondern auch bestattet werden, ein letztes Zuhause finden.

 

Die Dezernentin agiert hier offen, vorurteilsfrei, gewohnt tatkräftig und auch erfolgreich, aber – wie es das Thema verlangt – ohne jegliche Außendarstellung. Deswegen möchte ich das hier einmal erwähnen. Vielen Dank, Rosemarie Heilig!

 

(Beifall)

 

Neben der Gebührenveränderung zeigt der Magistratsbericht Neuerungen auf, wie den Wegfall von Tiefgräbern und Urnenkompaktanlagen und ein zusätzliches Angebot. Frankfurt hat nun einen Trauerwald auf dem Waldfriedhof in Oberrad, der eine gute Alternative zu den immer beliebteren Friedwäldern und Ruheforsten darstellt. Unsere 36 Friedhöfe auf 250 Hektar Fläche lassen sich schon lange nicht mehr durch Gebühren finanzieren. Sie müssen aus Mitteln des allgemeinen Haushalts unterstützt werden. Wegen des ökologischen, des kulturhistorischen und des sozialen Wertes, den Friedhöfe für das Öffentliche erbringen, sollen nun 36,5 Prozent des Aufwandes – aktuell sind das 6 Millionen Euro – aus dem allgemeinen Haushalt beigesteuert werden.

 

Manche rümpfen darüber die Nase, halten das für irreführende, kostenverschleiernde Haushaltsoperationen, die man nicht zu weit treiben dürfe. Wir GRÜNE halten das, freundlich gesprochen, für eine Fehleinschätzung. Der Städtetag hat sich hier eindeutig positioniert und das Thema ist bundesweit so bedeutsam, dass sich ein aktuelles Forschungsprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt damit befasst. Der Zuschussanteil in manchen Städten liegt übrigens schon bei 60 Prozent.

 

Wir Frankfurterinnen und Frankfurter aber brauchen uns nur zu erinnern, welche Ziele im Jahre 1826 unter anderem bei der Anlage des Hauptfriedhofs verfolgt wurden. „Als Vorbild diente“ – ich zitiere mit Erlaubnis des Vorstehers den Autor sowie Stadt- und Friedhofsführer und ehemaligen Stadtrat Christian Setzepfandt – „der englische Landschaftsgarten. Der Friedhof sollte ein Park sein, der Ruhe und Ernsthaftigkeit ausstrahlte und mit seiner schönen Natur den Schrecken des Todes in den Hintergrund treten ließ.“ Die erste Friedhofsordnung für einen Hauptfriedhof aus dem Jahre 1828 schrieb daher vor, „dass die Anlage als englische Gartenanlage behandelt und mit den schönsten Bäumen und Sträuchern bepflanzt wird, und so“ schreibt Christian Setzepfandt „befindet sich hinter dem neoklassizistischen Bau heute einer der größten Friedhofskomplexe Deutschlands und einer der schönsten Europas.“ Für uns GRÜNE ist es also aller Ehren und jeden Euro wert, dass wir geschichtsbewusst diese Tradition fortführen und weiterentwickeln.

 

(Beifall)

 

Ein sehr schönes Beispiel dafür sind die Erneuerungsmaßnahmen am Bockenheimer Friedhof. Er beherbergt die schönsten Bäume und ist die letzte Ruhestätte von Frankfurts großem Gartenmeister Siesmayer. Er und der Friedhof haben nun unter anderem ein sehr gelungenes neues Entree erhalten. Der grünpolitische Wert ist hoch, das ist allerdings ein schreckliches Technokratenwort, unsere Friedhöfe sind doch heute viel mehr. Sie sind erfrischende Klimaoasen – leicht zu erkennen auf dem Klimaplanatlas -, sie sind Inseln der Artenvielfalt, sie sind Ruheparks, niemand grillt, niemand wird laut, sie sind öffentliche Grünflächen, die der Erholung dienen, in denen man trauern, sich erinnern, sinnieren oder einfach ein Buch lesen kann, und sie sind Geschichtsparks. Sie erzählen Stadtgeschichte, Kulturgeschichte, Frankfurter Geschichte, unsere Geschichte. Die Geschichten von teilweise sehr prominenten Frankfurterinnen und Frankfurtern auf den Friedhöfen füllen Bände. Es lohnt sich, sie zu lesen, aber noch mehr sie bei einer Führung anzuhören. Viele Gräber stehen unter Denkmalschutz, sind Kulturdenkmäler, die eine aufwendige Pflege benötigen. All dem wird mit der Vorlage M 71 Rechnung getragen, auch den sozialen Aspekten. Die Härtefallregelung, unter anderem für die Sternenkinder, bleibt erhalten, ebenso die Subventionierung der günstigsten Bestattungsart aus allgemeinen Haushaltsmitteln.

 

(Beifall)

 

Die Anträge der LINKEN. lehnen wir daher ab. Gebührenordnungen funktionieren wie kommunizierende Röhren. Wenn ich an einer Stelle etwas wegnehme, kommt es an der anderen dazu. Wir meinen, ebenso wie die Friedhofskommission, die Gebührenordnung ist gut ausgependelt. Die Vorlage ist umfassend, transparent und lässt keine Fragen offen. Danke an alle, die daran mitgearbeitet haben.

 

(Beifall)

 

Man muss aber keine Prophetin sein, um zu sehen, dass es dabei nicht bleiben wird. Die oben angesprochenen Trends werden sich verstärken. Wir werden mehr allgemeine Haushaltsmittel zum Erhalt dieses europäischen Kulturguts und der Grünräume einsetzen müssen. Wir sollten jetzt über neue Nutzungen nachdenken, wir sollten kreativ sein. Digitale Trauerräume erfreuen sich wachsender Beliebtheit. In Berlin, Essen und Koblenz gibt es separate Grabfelder, auf denen sich Menschen mit ihren Haustieren bestatten lassen können. Beständig ist nur der Wandel, das gilt eben auch für Friedhöfe. Wir sollten ihn, den Wandel, zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern gestalten, mit Respekt und mit Offenheit.

 

Vielen Dank!

 

(Beifall)