Mai 4, 2022

16.06.2011 Atzelbergplatz

Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich muss nun an dieser Stelle ein paar Takte mehr dazu sagen, weil sich die ganze Diskussion auf diesen großflächigen Einzelhandel zu konzentrieren scheint, aber es geht bei diesem Thema nicht nur darum.

 

(Beifall)

 

Als ich im Alter von etwa zehn oder elf Jahren meine Schulfreundin Elisabeth zuhause in der Wilhelmshöher Straße besucht habe, war Seckbach noch ein beschauliches kleines Dorf. Als dann in den siebziger Jahren die Atzelbergsiedlung hochgezogen wurde, fanden wir das, unbeschwert von Stadtplanungsüberlegungen, nur völlig scheußlich. Das ist jetzt über 40 Jahre her, und es ist müßig, jetzt Planer- oder Planerinnenschelte zu üben. Wir alle wissen heute, dass die Siedlungsbauten der siebziger Jahre ihre Berechtigung hatten und haben und sich damals sehr viele Frankfurterinnen und Frankfurter über diese Neubauten mit Balkon, Zentralheizung und Innenbad gefreut haben.

 

In einem Punkt kann man der Magistratsvorlage wirklich nur zustimmen, nämlich der Aussage, dass die Absicht, den Atzelbergplatz zu einem lebendigen Zentrum zu entwickeln, weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Das ist sehr freundlich formuliert. Dieser Platz, der einen wunderschönen Ausblick hat, ist nicht nur unattraktiv, er ist tot. An einem Samstagmorgen, davon habe ich mich selbst überzeugt, sind die Seckbacher auf dem Bornheimer Wochenmarkt, im Hessencenter und überall in der Stadt zu finden, nur nicht in dem vermeintlichen Zentrum, da trifft man niemand.

 

Die Befürchtungen des Ortsbeirates hinsichtlich der Nahversorgung sind trotzdem unbedingt ernst zu nehmen und auch verständlich. Der Vorschlag des Ortsbeirates, nur den Platz weiterzuentwickeln und zu verschönern, aber den Lebensmittelmarkt und alle weiteren Planungen wegzulassen, führt jedoch in die falsche Richtung. Alleine ein Facelifting für diesen Platz bringt überhaupt nichts. Dieser Platz braucht einen verlässlichen, alltäglichen Anziehungspunkt, und ein solcher Anziehungspunkt war von jeher ein Markt. Heute haben vielfach – das kann man beklagen oder nicht – Supermärkte diese Funktion übernommen. Sie haben die Bringfunktion, die anderen Geschäften, der Gastronomie und dem öffentlichen Raum die nötige Besucherfrequenz bescheren.

 

(Beifall)

 

Deshalb wäre eine Planung ohne den größeren Lebensmittelmarkt ein erneuter planerischer Fehlversuch, ein Stadtteilzentrum zu entwickeln. Nur das Gesamtkonzept bietet die Chance, dass der Atzelberg wirklich das neue, lebendige und nachgefragte Zentrum von Seckbach wird. Die Bedenken, dass der kleine Markt verschwindet, sind berechtigt. Das wird er auf jeden Fall, wenn die Gesamtplanung nicht zum Tragen kommt, denn hierauf hat die Stadt keinen Einfluss. Ob der Betreiber jetzt rausgeht oder nicht, das entscheidet er nach wirtschaftlichen Kriterien, und die sind eindeutig. Jeder, der diesen Markt gesehen hat, merkt, dass das heute überhaupt kein Konzept mehr ist, das trägt. Daran können wir nichts machen.

 

(Beifall)

 

Die Nahversorgung auch der mobilitätseingeschränkten Seckbacher darf jedoch nicht zerstört werden, da sind wir doch einer Meinung. Bringdienste, der Meinung bin ich auch, sind ein nettes Serviceangebot bei Krankheit und oder Zeitmangel. Für mobilitätseingeschränkte Menschen haben die Bringdienste jedoch denselben Charakter wie die Klingeln für Rollstuhlfahrer an öffentlichen Gebäuden. Für betagte Menschen, deren Mobilität durch allgemeine Schwäche, Schmerzen im Bewegungsapparat oder eingeschränkte Sehfähigkeit reduziert ist, sind die Autonomie, die Partizipation und die Erhaltung der Alltagskompetenz von ganz besonderer Wichtigkeit. Dafür müssen wir hier einstehen.

 

(Beifall)

 

Deshalb hat die schwarz-grüne Koalition einen Antrag eingebracht, mit dem der jeweilige Marktbetreiber vertraglich verpflichtet wird, beide Märkte zu beschicken. Das kann die Stadt beziehungsweise die ABG Holding vertraglich regeln, und entgegen der hier verbreiteten Negativstimmung gibt es bereits erste positive Signale der Beteiligten. Die Vorlage M 98 in Verbindung mit dem Antrag ist das richtige Mittel und der richtige Weg, Planungsdefizite der siebziger Jahre zu korrigieren, Seckbach ein attraktives Zentrum zu geben und die Nahversorgung für alle verlässlich zu organisieren. Das plötzliche Auftauchen eines Investors, der sich ausschließlich um weitere Wohnbebauung bewirbt und

 

städtebauliche Überlegungen notgedrungen vernachlässigt, nachdem darüber seit 2008 beraten wird, stellt deshalb auch keine wirklich neue Option oder Alternative dar. Wenn wir den Tagesordnungspunkt heute zurückstellen oder dagegen stimmen, um diese vermeintliche Alternative zu prüfen, muss befürchtet werden, dass es auch in Zukunft kein echtes Stadtteilzentrum und sehr schnell keinerlei Nahversorgung für Seckbach gibt. Wie die Kirche, die Eigner eines dieser Immobiliengrundstücke ist, entscheiden wird, weiß der Himmel.

 

(Heiterkeit)

 

Ich hoffe, dass sie, die Kirche, wie in früheren Jahrhunderten Seckbach die Marktrechte gibt und die Chance nicht verstreichen lässt, mitten im Dorf, mitten im Marktgeschehen und damit nah bei den Menschen zu bleiben.

 

Danke schön!

 

(Beifall)