Mai 4, 2022

15.12.2011 Nordwest-Landebahn

Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich weiß nicht, wie es den anderen Bewohnern aus dem Süden Frankfurts geht, die noch hier im Zuschauerraum sitzen, aber mir als Betroffene wird es bei der Art der Debatte, die wir heute zu diesem Thema führen, ziemlich schlecht.

 

Diese Debatte ist fast ausschließlich polemisch, wenig sachlich und außerordentlich davon geprägt, das anscheinend einige ihre persönliche und politische Vergangenheitsbewältigung mit den GRÜNEN betreiben müssen. Damit ist wirklich überhaupt niemandem geholfen.

 

(Beifall)

 

Die SPD und die FREIEN WÄHLER als Hüter der Glaubwürdigkeit, das ist ja wirklich ein Treppenwitz. Da werde ich nachher noch einmal darauf eingehen.

 

Was ich vorher sagen möchte und wirklich nicht verstehe – das muss sich auch jede Partei, jede Fraktion noch einmal überlegen -, ist, dass die LINKE. den einzigen Antrag, der es ermöglichen wird, dass die Region geschlossen gegen diese Maßnahme vorgeht und den Widerstand politisch organisiert, als Reinwasch-Antrag diffamiert. Das ist schon ein starkes Stück.

 

(Beifall)

 

Ich lebe seit dem 21.10.2011 sowieso in einer verkehrten Welt, das muss ich einmal sagen. Ich bin von dem Dauerlärm, dem schleichenden Schlafentzug und dem Verlust meines Zuhauses zwischen Wut und Depressionen hin und her gerissen. Nicht nur, dass ich in diesen Wochen erlebe, dass die GRÜNEN die eigentlichen Ausbaubefürworter sind und das ganze Thema auf allen Ebenen vorangetrieben haben – jedenfalls ist das der Eindruck, der entsteht -, nein, seit sich der Bürgerprotest formiert hat, jagt eine Verlautbarungserklärung nach der anderen der bisherigen Ausbaubefürworter durchs Land, die dergestalt sind, dass ich mich manchmal kneifen muss, um festzustellen, ob ich träume oder wach bin.

 

(Beifall)

 

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin über jeden froh, der sich jetzt für die Interessen der Betroffenen starkmacht und Maßnahmen auflegt, die schnellstens zur Entlastung führen. Das brauchen wir dringend im Frankfurter Süden.

 

(Beifall)

 

Was sich aber besonders in den letzten zwei bis drei Wochen an Scheinheiligkeit, an Drehungen und Wendungen sowie an Schuldzuweisungen, auch hier in diesem Raum, breitgetreten hat, das ist wirklich ein erschreckendes Zeichen politischer Unkultur. Die Leute werden nicht nur gesundheitlich und durch Lärm geschädigt, sondern auch in ihrem politischen Selbstverständnis. Wir sind die Totengräber unseres eigenen Systems. Man muss sich nicht wundern, wenn sich die betroffenen Leute mit Grausen abwenden, zu Nichtwählern werden und demonstrieren gehen.

 

(Beifall)

 

Was wir jetzt brauchen ist eine Wiederherstellung des Vertrauens durch glaubwürdige und ehrliche Positionen und keine opportunistischen, populistischen Wahlreden und Forderungen, von denen jeder weiß, dass sie von diesem Gremium überhaupt nicht angestoßen werden können. Diese Augenwischereien müssen endlich ein Ende haben.

 

(Beifall)

 

An die Volksparteien SPD und CDU muss ich einfach ein paar Worte richten, weil ich in den letzten sechs Wochen in meinem Stadtteil mit meinen Nachbarn unterwegs war. Was die betroffenen Menschen wirklich am liebsten hören möchten, ist das Wort mit den drei .L. – Stilllegung. Das ist natürlich etwas, was wir von dieser Stelle aus nicht seriös versprechen können. Was die Leute, die Menschen aber mindestens hören wollen ist eine klare Position. Es kann durchaus jemand hier stehen und sagen, ja, wir waren für den Ausbau im Süden. Das kann man durchaus sagen. Dann muss man aber als Nächstes – das ist die Erwartung der Menschen aus dem Frankfurter Süden – sagen, wir haben erstens erkannt, dass es ein schwerer Fehler war. Wenn sich die Chance politisch oder rechtlich ergibt, werden wir zweitens alles daransetzen, damit er rückgängig gemacht wird. Das habe ich von Ihnen, Herr Oesterling, hier nicht gehört.

 

(Beifall)

 

Diese Antwort sind Sie bis jetzt immer schuldig geblieben. Da mogeln Sie sich darum herum, indem Sie andere Parteien kritisieren. Sie selbst reden aber nur vom Nachtflugverbot, sagen aber nichts zu dieser Frage. Diese Frage werden wir uns alle in den nächsten Monaten noch stellen müssen, weil dieses Thema noch lange nicht vom Tisch ist.

 

Wir wissen aber von der SPD – so viel zum Thema Glaubwürdigkeit -, dass zwei hier Anwesende, Herr Paris und Herr Yüksel, im Landtag die Hand gehoben haben, als es um die Landebahn Nordwest ging. Das muss hier auch einmal gesagt werden.

 

(Beifall)

 

Was wir jetzt alle wirklich in dieser schrecklichen Situation brauchen, sind Zivilcourage, Fachkompetenz und Ausdauer, so wie sie meine Parteifreundin Martina Feldmayer hier die ganze Zeit gezeigt hat.

 

(Beifall)

 

Martina Feldmayer ist Beschäftigte der Lufthansa. Sie ist hier und überall immer deutlich gegen den Ausbau aufgetreten und hat damit auch den Flughafenbeschäftigten eine Stimme gegeben, die bei aller Begeisterung für ihren Job eine kritische Distanz zu diesen Ausbauplänen hatten. Dafür muss man ihr dankbar sein. Das soll erst einmal einer nachmachen, der sich hier nur hinstellt und ihr auf üble Weise ans Bein pinkelt. Entschuldigung.

 

(Beifall)

 

Zivilcourage wäre jetzt zum Beispiel auch von den Sozialdemokraten gefordert. Wenn Sie sich in die gewerkschaftliche Debatte um Arbeitsplätze am Flughafen einbringen und – ich habe es heute wieder in der Flughafenpost gelesen – mit den Arbeitnehmern dort reden und klarmachen, dass die Antwort auf die weitere Liberalisierung der Abfertigungsdienste nicht darin besteht, dass man noch mehr, noch billiger abfertigt, sondern dass man neue qualitative Konzepte entwickelt und sagt, egal wie es ist, die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht, und die kann man auch nicht aufrechnen, da wäre Zivilcourage gefragt.

 

(Beifall)

 

Zivilcourage müssen alle haben, die politische Verantwortung hier in Frankfurt, in Wiesbaden und in Berlin haben. Ich würde mir wünschen, dass andere gesellschaftliche Gruppen endlich laut werden. Wo sind denn verdammt noch einmal die Kirchen, die die Sonntagsruhe einfordern? Das ist überhaupt kein Thema, das ist überhaupt noch nicht in Erscheinung getreten.

 

(Zurufe)

 

Auch mir wäre es lieber, hier zu stehen, das muss ich einmal sagen, um die Inbetriebnahme eines Flughafenkonzeptes oder Umbaus zu loben, der weltweit vorbildlich wirkt, zum Beispiel durch sparsamen Umgang mit Fläche, Schutz der Bevölkerung vor Emissionen, Konzentration auf das strategische Kerngeschäft, intelligente, zukunftsfähige Kooperationen und Mobilitätskonzepte, Niedrigenergieterminals, Finanzierung von Lehrstellen zur Erforschung eines lärmarmen Fluggerätes und lärmarmer Abflugsrouten sowie eines Flughafens der kurzen Wege. Wir brauchen keinen Flughafen, der Teile des Rhein-Main-Gebietes in ein akustisches Bitterfeld verwandelt und den knappen urbanen Lebensraum für Menschen und ein kulturelles Erbe wie den Stadtwald vernichtet und bei dem man länger auf dem Rollfeld herumgefahren wird, als man mit der S-Bahn von der Innenstadt bis zum Flughafen braucht.

 

(Beifall)

 

Es wurde aber der falsche Weg eingeschlagen. Dieser Ausbau in die falsche Richtung. Er ist ein schrecklicher und auch sehr teurer Fehler für uns alle.

 

Jetzt ist das Desaster- ich habe den Begriff einmal gegoogelt, er ist völlig korrekt -, der Unstern, das Unheil, was über alle kommt, in Beton gegossen und augenblicklich durchgeklagt. Das heißt, im Moment besteht keine rechtliche und politische Handhabung, um sofort etwas zu unternehmen.

 

(Zurufe)

 

Der Ausbau ist ein Desaster in vielerlei Hinsicht. Er ist ein gesundheitliches Desaster für die Bewohner. Er ist zum Teil auch ein wirtschaftliches Desaster. Es ist ein Desaster für diese Stadt, bei der die Entwicklungsmöglichkeiten der endlichen Stadtfläche noch kleiner werden, wo jetzt statt neuen Kinderbetreuungseinrichtungen Verbunkerungen bestehender Einrichtungen finanziert werden müssen.

 

Es ist aber auch ein Desaster für die Demokratie und Politik. Wer in Sachsenhausen, Oberrad oder Niederrad mit den Bürgern spricht, dem wird deutlich, was hier passiert ist. Das Grundvertrauen in das politische System ist nachhaltig, dauerhaft zerstört, weil zu viel gelogen wurde.

 

(Beifall)

 

Ich komme jetzt zum Abschluss. Wir brauchen im Süden Frankfurts alle diese Maßnahmen, die hier heute beantragt werden. Wir brauchen diese regionale Initiative, aber wir brauchen auch die Ausdauer über alle Wahlkämpfe hinaus, damit wir an einer langfristigen Lösung arbeiten, die wirklich den Süden Frankfurts wieder menschenwürdig bewohnbar macht. Vielen Dank!

 

(Beifall)