Vom S-Bahnhof-Niederrad zum „Gare de Lyon“

Kleiner Flashmob mit großem kreativen Potenzial

Treffpunkt S – Bahnhof FFM Niederrad, Adolf- Miersch-Straße, Lyoner Straße. Ein funktionaler Ort, gekennzeichnet von Beton, vielfältigen Sperrgittern, großen neonbeleuchteten Reklameflächen, Schottergleisbett, zugig, schwarzgrau von Staub und sehr verlärmt, ein Ort, den man meiden würde, wenn er nicht von zentraler Bedeutung für den öffentlichen Nahverkehr in Niederrad wäre.

S-Bahnen Richtung Flughafen, Wiesbaden und Mainz, die Straßenbahnlinie 12, zwei Buslinien und der Nachtbus haben dort Haltepunkte und tausende von Niederrädern und Beschäftigen der Bürostadt hasten dort täglich hin und her. Am Abend dann Leere, Unbehagen sich dort aufzuhalten.

Nicht ganz unverständlich (wenn auch natürlich völlig falsch) die Äußerung eines in der Kälte wartenden, ärgerlichen Menschen, der seinem Gesprächspartner am Handy mit rheinischem Zungenschlag mitteilt, „dieses Frankfurt sei das letzte Dreckloch“.

Etwas mehr als ein Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten am Donnerstag Abend der Eiseskälte getrotzt und waren mit warmer Kleidung, bunten Schals, Taschenlampen und Teelichten zum Frankfurter Frauen- Flashmob gekommen, den die grüne Stadtverordnete Ursula auf der Heide organisiert hatte.

Ziel der „Zusammenrottung“ war es, Ideen zu entwickeln, wie aus diesem „Unort“ ein öffentlicher Raum werden kann, der keine Aversionen und Ängste erzeugt und nicht nur ungeliebte ÖPNV-Anlaufstelle ist, sondern zu einem integrierten, akzeptierten Ort des Stadtteils werden kann.

„ Der S-Bahnhof ist gefühlt weit weg, der Weg aus Wohngebieten ist tot und langweilig, der Bahnhof wirkt abweisend und dahinter (Richtung Bürostadt) hört das Leben auf „ so schildert eine Niederräderin die Wahrnehmung im Stadtteil.

Wahrnehmung, Wahrnehmungsänderung und urbanes Leben sind Schlüsselwörter für die Vermeidung von subjektiven Unsicherheitsgefühlen und Aversionen an solchen Orten, so führt auch die Grüne Umweltdezernentin, Dr. Manuela Rottmann, in ihrem Statement u.a. aus. Veränderungen und Gestaltungen, die die Sinne positiv ansprechen, sind erforderlich.

Dass mehr als die bunte grüne Frauenfahne, bunte Schals, Taschenlampen und Duftteelichte erforderlich sind, um diesem Ort eine andere Deutung und Wahrnehmung angedeihen zu lassen, war keine Frage.

Aber innerhalb nur einer halben Stunde wurden ein Vielzahl von Ideen geboren und die Vision von einem urbanen, attraktiven Ort entwickelt.

Klar wurde schnell, dass es aber keinesfalls nur darum gehen kann, isoliert diesen Ort „auf zu hübschen“. Die Wege zum Bahnhof und die angrenzenden Quartiere müssen in die Überlegungen und Planungen mit einbezogen werden.

Dass in unmittelbarer Nähe dieses Bahnhofs der Kleingärten, Sportanlagen und Wald angrenzt und es nur wenige 100 Meter zum Main sind, wie von einer weiteren Teilnehmerin angemerkt, ist an dieser Stelle nicht zu vermuten

Die grüne Umweltdezernentin brachte in ihrem „Flashstatement“ u.a. Geräuschinstallationen ins Spiel. Eine Idee, die angesichts des tosendenLärms an diesem Ort sofort bestechend klang. Der Klangkünstler Sam Auinger hat für solche stark verlärmten Stadträume die Idee entwickelt, den Lärm aufzunehmen und mit anderen Klängen positiv anzureichern, ähnlich wie z.B. wie Noiser  für Tinnitusgeplagte. Natürlich spielen auch Licht und Farbe eine große Rolle für die Wahrnehmung dieses Ortes. Da die Lyoner Straße sich anschließt und in der Bürostadt das Lyoner Viertel sich entwickelt, löste der Name der französischen Partnerstadt eine Vielzahl von positiven Assoziationen und Gestaltungsideen aus.

Lyon, die Stadt der Luminale, so meinte auch die Umweltdezernentin, da drängen sich kreative Lichtgestaltungen und temporäre Installationen gerade zu auf.

Den Charme der südfranzösischen Partnerstadt gerade einem solchen Ort der funktionalen Tristesse entgegenzusetzen, gefiel allen. Künstlerische Events, temporäre Ausstellungen, französischer Imbiss und Weinstand, könnten diesen S -Bahnhof zu einem spannenden Treffpunkt für NiederräderInnen und PendlerInnen machen und Unsicherheitswahrnehmungen verschwinden lassen.

Für den vollsonnigen Weg entlang der Adolf -Miersch – Siedlung wären Lavendelhecken und andere Duftstauden, abwechslungsreiche Pflanzungen eine Attraktion auf dem täglichen Weg und Fußgänger und Autofahrer würden den Duft mit in die Unterführung transportieren.

„Zur Reduzierung der weniger angenehmen Stäube wäre  es wünschenswert, wenn das Schottergleisbett der Straßenbahn vor und hinter der Unterführung durch Rasengleise ersetzt würde. Dies sei ja ebenso wie ein breiterer Fußgängerüberweg bereits ins Planung“, so auf der Heide, die zugleich auch Mitglied im zuständigen Ortsbeirat ist.

Damit dieses schöne Projekt schnell auf den Weg kommt, soll es in die Planungswerkstatt aufgenommen werden, außerdem sollen Künstler und weitere Verbündete in der Bürostadt und in den Schulen gewonnen werden.

Dem Stadtparlament könne die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen, die ein vergleichsweise kleines Budget erfordern, im Zusammenhang mit der Entwicklung des Lyoner Viertels verdeutlicht werden. Die Attraktivität des ÖPNV entscheidet sich auch über die Wahrnehmung solcher Haltepunkte.

Die Organisatorin ist mit dem Verlauf des Mobs sehr zufrieden. „Besser ein kleinerer Mob und viele guten, ernsthaften Vorschlägen, als ein großes Happening ohne wirksame Ideen!“